Häufige Fehler bei der Anwendung von Chlordioxid

Häufige Fehler bei der Anwendung von Chlordioxid – und wie man sie vermeidet

Gutes Mittel, falscher Einsatz

Chlordioxid gilt als eines der vielseitigsten und effektivsten Desinfektionsmittel in der Prozesshygiene. Es wirkt schon in niedriger Konzentration, zerstört Biofilme, ist materialverträglich und zerfällt in unbedenkliche Reststoffe. Genau deshalb wird es in der Lebensmittelverarbeitung, in Getränkeabfüllungen oder bei der Wasserbehandlung geschätzt. Doch so gut Chlordioxid in der Theorie auch sein mag – in der Praxis häufen sich immer wieder die gleichen Anwendungsfehler. Fehler, die die Wirksamkeit beeinträchtigen, die Sicherheit gefährden oder sogar Anlagen schädigen können.

Anwendung von Chlordioxid
Anwendung von Chlordioxid

In diesem Artikel zeigen wir Ihnen die häufigsten Stolpersteine aus der Praxis. Wir erklären, worauf es ankommt, wenn Chlordioxid seine volle Wirkung entfalten soll. Und wir zeigen, wie sich typische Fehler mit einfachen Mitteln vermeiden lassen – durch den Einsatz von Technik, aber vor allem durch gutes Prozessverständnis und Aufmerksamkeit im betrieblichen Alltag.

Falsche Konzentration: Weniger ist nicht immer mehr

Ein typischer Fehler im Umgang mit Chlordioxid ist eine fehlerhafte Dosierung: manchmal aus Unwissenheit, manchmal aus Übervorsicht oder Kostenbewusstsein. Chlordioxid ist ein Wirkstoff mit einem engen, aber klar definierten Wirkbereich.

Unterschreitungen dieses Bereichs führen dazu, dass Mikroorganismen – insbesondere in biofilmbelasteten oder schwer zugänglichen Anlagenteilen – nicht zuverlässig inaktiviert werden. Dies kann zu dauerhaften Keimherden und damit zu hygienischen Risiken im gesamten Arbeitsumfeld führen. Gerade in geschlossenen Kreisläufen oder bei hohem organischen Eintrag reichen geringe Abweichungen unterhalb der Mindestkonzentration aus, um die Desinfektionsleistung deutlich zu mindern.

Überdosierungen wiederum bergen andere Risiken: Neben Materialbelastung – etwa Korrosion oder andere Materialbelastungen an Dichtungen, Leitungen und Sensoren – können unerwünschte Nebenprodukte entstehen, die sich negativ auf Produktqualität, Anlagensicherheit oder Umweltverträglichkeit auswirken. Darüber hinaus bedeuten überhöhte Konzentrationen unnötige Betriebskosten, ohne dass ein zusätzlicher Nutzen im Sinne der mikrobiologischen Wirksamkeit erzielt wird.

Ein besonders kritischer Aspekt ist die häufig anzutreffende Praxis, Dosiermengen falsch festzulegen, ohne auf eine kontinuierliche messtechnische Überwachung zurückzugreifen. Dabei ist die präzise Kontrolle der Chlordioxidkonzentration – idealerweise in Echtzeit – die Grundlage für eine sichere, reproduzierbare und ökonomisch sinnvolle Anwendung. Moderne Sensortechnologie und Prozessanalytik ermöglichen heute eine lückenlose Überwachung und automatische Regelung, um den optimalen Wirkbereich dauerhaft einzuhalten.

Schlechte Vermischung:
Schlechte Vermischung:

Schlechte Vermischung: Wirkstoff ohne Wirkung

Ein weiterer klassischer Fehler: Chlordioxid wird korrekt dosiert, aber nicht gleichmäßig in der Anlage verteilt. Besonders in verzweigten Leitungssystemen, Tanks oder Dosierstellen kann es vorkommen, dass der Wirkstoff zwar punktuell in ausreichender Menge vorliegt, andere Bereiche aber kaum oder gar nicht erreicht. Das Ergebnis: Ein trügerisches Gefühl von Sicherheit – und mikrobielle Belastungen, die im Verborgenen weiterbestehen. Besonders kritisch wird es, wenn Chlordioxid in Anlagen eingesetzt wird, die nicht dafür ausgelegt sind oder in denen Totzonen bestehen.

Ein Beispiel: In einem Betrieb wurde eine zentrale Dosierstation installiert, ohne die Verteilung im Ringleitungssystem ausreichend zu validieren. Das Ergebnis: Am Anfang der Leitung war die Konzentration korrekt, am Ende kam nur noch ein Bruchteil davon an. Erst die Umstellung auf eine Durchflussmessung mit Inline-Kontrolle brachte die notwendige Transparenz – und eine sichere Desinfektionsleistung.

Die richtige Technik ist also wichtig, aber auch das Verständnis für die Anlage: Wo verläuft die Leitung? Wo können sich Keime verbergen? Wo muss kontrolliert werden? Nur wenn das klar ist, kann Chlordioxid seine Stärken ausspielen.

Falsche Lagerung: Wenn Sicherheit und Wirkung leiden

Ein Fehler, der seltener auffällt, aber weitreichende Folgen haben kann: eine unsachgemäße Lagerung der Chlordioxid-Komponenten.

Die Herstellung von Chlordioxid

Chlordioxid wird meist vor Ort aus zwei Ausgangsstoffen erzeugt, da es in reiner Form instabil ist und sich nicht gut lagern oder transportieren lässt. Die gängige Methode zur Herstellung basiert auf der Reaktion von Natriumchlorit mit einer Säure, typischerweise Salzsäure. Bei dieser chemischen Umsetzung entsteht Chlordioxid als Gas, das sich gut in Wasser lösen lässt und dann in wässriger Lösung verwendet wird. Der große Vorteil der Vor-Ort-Erzeugung liegt darin, dass Chlordioxid so immer frisch bereitgestellt wird und keine Gefahr durch den Transport oder die Lagerung großer Mengen besteht. Die Systeme zur Erzeugung sind oft automatisiert, sicherheitsüberwacht und auf die jeweilige Anwendung abgestimmt. In modernen Anlagen wird auch darauf geachtet, dass möglichst wenig Nebenprodukte entstehen und der Prozess energieeffizient abläuft.

Lagerung ist das A und O
Lagerung ist das A und O

Die richtige Lagerung ist das A und O

Wird Natriumchlorit zu warm, zu lange oder zu hell gelagert, kann sich die Konzentration verändern. Bei der Säurekomponente kann eine ungewollte Reaktion einsetzen, wenn Behälter nicht richtig verschlossen sind. Im schlimmsten Fall verlieren die Komponenten ihre Wirkung oder es entstehen instabile Zwischenprodukte.

Richtig umgesetzt bedeutet Lagerung: ein kühler, gut belüfteter Raum, keine direkte Sonne, eine klare Trennung von inkompatiblen Stoffen, regelmäßige Sichtkontrollen und korrekt verschlossene Gebinde. Das klingt einfach, ist aber im hektischen Betriebsalltag keine Selbstverständlichkeit.

Unzureichende Schulung: Auch die beste Technik ersetzt das menschliche Verständnis nicht

Chlordioxid-Systeme arbeiten heute oft halb- oder vollautomatisch. Sensorik, Steuerung, automatische Spülung – vieles funktioniert auf Knopfdruck. Doch genau das birgt die Gefahr, dass Mitarbeitende sich zu sehr auf die Technik verlassen. Wenn aber grundlegendes Wissen fehlt, werden Alarme ignoriert, Filter nicht gewechselt oder Protokolle falsch interpretiert.

Eine falsch verstandene Störungsmeldung beispielsweise kann dazu führen, dass die Dosierung über mehrere Stunden ausfällt. Die Mitarbeiter sind zwar eingewiesen, aber nicht tiefgehend geschult. Die Folge: Desinfektionslücken, erhöhte Keimzahlen, eine aufwändige Nachreinigung.

Schulungen sind kein einmaliges Ereignis. Sie sollten regelmäßig erfolgen, praxisnah sein und sich an der realen Anlage orientieren. Nur wer versteht, wie Chlordioxid wirkt, wo es ankommt und wie man Abweichungen erkennt, kann den Prozess wirklich beherrschen. Technik ist ein Werkzeug, Wissen ist die Grundlage für Sicherheit.

Chemische Inkompatibilität: Wenn Reaktionen Probleme machen

Chlordioxid ist ein äußerst wirksamer Oxidationswirkstoff mit breitem antimikrobiellem Wirkungsspektrum. Seine hohe Reaktivität ist nicht nur für die gewünschte Desinfektionsleistung verantwortlich, sondern birgt auch erhebliche Risiken bei unsachgemäßer Handhabung in Verbindung mit anderen Stoffen. Daher ist eine fundierte Kenntnis über mögliche Inkompatibilitäten mit anderen Chemikalien unerlässlich.

Besonders problematisch ist der Kontakt mit stark sauren oder reduzierenden Substanzen, wie sie häufig in industriellen Reinigungs- oder Desinfektionsprozessen eingesetzt werden. Kommt Chlordioxid beispielsweise mit reduzierenden Reinigern (z. B. Natriumthiosulfat oder Sulfiten) oder organischen Lösungsmitteln in Kontakt, kann es zu ungewollten Reaktionen kommen. Diese können in der Praxis zu einer unkontrollierten Gasentwicklung, erhöhter Explosionsgefahr oder auch zur Bildung toxischer Nebenprodukte führen. Auch der gleichzeitige Einsatz mit stark alkalischen Reinigungsmitteln birgt Risiken, da es unter Umständen zu instabilen Zwischenprodukten kommt, die die Materialverträglichkeit beeinträchtigen.

Sicherheit entsteht durch Kontrolle
Sicherheit entsteht durch Kontrolle

Fehlende Validierung: Sicherheit entsteht durch Kontrolle

Einer der größten Fehler in der Praxis ist es, sich auf die „gefühlte“ Wirksamkeit zu verlassen. Nur weil ein Mittel wie Chlordioxid zuverlässig desinfiziert, heißt das nicht, dass es unter allen Umständen perfekt funktioniert. Jede Anlage ist anders. Jede Branche hat eigene Anforderungen. Und jede Prozessumgebung bringt neue Herausforderungen mit sich. Deshalb ist es entscheidend, die eingesetzten Verfahren regelmäßig zu validieren.

Was bedeutet das konkret? Es reicht nicht, die Konzentration nur an einer Stelle zu messen. Wichtig ist, dass das gesamte System geprüft wird: Erreicht das Chlordioxid wirklich alle relevanten Stellen? Wird die Einwirkzeit eingehalten? Gibt es Totzonen? Sind die Rohre biologisch oder chemisch belastet?

Zusatzfaktoren: Kleine Details, große Wirkung

Neben der korrekten Dosierung und Applikation von Chlordioxid entscheiden eine Vielzahl sekundärer Einflussgrößen über die tatsächliche Desinfektionsleistung im industriellen Umfeld. Diese Zusatzfaktoren werden im betrieblichen Alltag häufig unterschätzt – dabei können sie maßgeblich darüber entscheiden, ob Chlordioxid die gewünschte Wirkung entfalten kann oder ob mikrobielle Belastungen fortbestehen.

Ein zentraler Aspekt ist die Temperatur des Prozesswassers. Chlordioxid zeigt temperaturabhängige Reaktivität: Während höhere Temperaturen die chemische Aktivität und damit die mikrobielle Abtötung beschleunigen, kann bei zu niedrigen Temperaturen – etwa bei Zulaufwasser im Winter – die Einwirkzeit signifikant verlängert werden. Wird dieser Effekt nicht kompensiert, etwa durch automatische Temperaturanpassung oder Anpassung der Kontaktzeit, kann die Desinfektionswirkung deutlich nachlassen.

Auch die physikalischen Druckverhältnisse im Leitungssystem beeinflussen die Verteilung des Wirkstoffs. Niedrige Strömungsgeschwindigkeiten oder Druckabfälle können die Bildung von Totzonen begünstigen, in denen sich Mikroorganismen vermehren können. Eine unzureichende hydraulische Durchströmung einzelner Anlagenteile hebt damit lokal die Wirksamkeit des eingesetzten Desinfektionsmittels auf – auch wenn die Gesamtanlage normkonform betrieben wird.

Physikalische Druckverhältnisse
Physikalische Druckverhältnisse

Ein weiterer kritischer, oft übersehener Punkt ist der Zustand der Oberflächen in Kontakt mit dem Prozessmedium. Materialermüdung, mikroskopische Risse, beschädigte Dichtungen oder biologisch schwer zugängliche Poren können Rückzugsräume für Mikroorganismen bieten. In solchen Fällen ist der Wirkstoff – trotz korrekter Konzentration – physikalisch nicht in der Lage, den vollständigen Kontakt zur Keimquelle herzustellen. Dies betrifft insbesondere ältere Kunststoffleitungen oder poröse Schweißnähte.

Regelmäßige visuelle Inspektionen und zustandsorientierte Wartungskonzepte sind daher unverzichtbare Bestandteile eines ganzheitlichen Hygienekonzepts. Ergänzt durch Oberflächenanalysen, strukturelle Validierung und gegebenenfalls auch durch den Einsatz modernisierter Werkstoffe kann so sichergestellt werden, dass Chlordioxid unter realen Betriebsbedingungen tatsächlich die gewünschte hygienische Sicherheit bietet.

Kommunikation im Team: Hygiene ist Teamarbeit

Ein weiterer, oft unterschätzter Punkt ist die Kommunikation. Wer informiert ist, kann mitdenken. Gerade in größeren Betrieben oder Schichtsystemen kann es schnell zu Missverständnissen kommen: eine Umstellung wurde nicht weitergegeben, ein Fehler blieb unbemerkt, eine Messung nicht richtig interpretiert.

Deshalb lohnt es sich, Hygiene als festen Bestandteil der internen Kommunikation zu etablieren. Kurze Übergabemeetings, eine klare Dokumentation und offene Rückmeldungskanäle sind Teile eines funktionierenden Hygienekonzepts. Denn ein gutes Desinfektionsmittel entfaltet seine volle Wirkung nur dann, wenn alle am Prozess Beteiligten eingebunden sind.

Fazit: Chlordioxid entfaltet seine Wirkung nur mit Know-how

Chlordioxid ist ein hochwirksames Instrument im professionellen Hygienemanagement – sofern auch die weiteren Umstände passen. Seine Anwendung erfordert ein präzises Zusammenspiel aus Technik, Prozesskontrolle und Know-how. Die häufigsten Anwendungsfehler resultieren nicht aus mangelndem Willen, sondern entstehen durch betriebliche Routinen, Zeitdruck oder unklare Zuständigkeiten. Gerade weil Chlordioxid so wirksam ist, müssen alle Einflussfaktoren verstanden und kontrolliert werden.

Die gute Nachricht: Die meisten dieser Fehlerquellen sind durch vergleichsweise einfache Maßnahmen beherrschbar – vorausgesetzt, der Einsatz erfolgt bewusst, strukturiert und mit dem nötigen Verständnis für die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Anlage. So lassen sich am Ende Fehler bei der Anwendung vermeiden, was nicht nur der Schutz der Umwelt entgegenkommt, sondern natürlich auch der Sicherheit der Mitarbeiter und dem Ruf des Unternehmens.

LOEHRKE zählt zu den führenden Anbietern von Hygienelösungen für Produktionsanlagen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Jedes unserer Produkte wird vor Auslieferung auf Leistung und Funktion getestet.

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